Inmitten der Auf- und Ab-Bewegungen des Lebens begegnen wir irgendwann dem unausweichlichen Moment des Abschieds. Der Tod eines geliebten Menschen kann uns aus den gewohnten Bahnen reißen, uns den Boden unter den Füßen wegziehen und uns mit einem herzzerreißenden Schmerz zurücklassen. In solch trauernden Momenten scheint der Schmerz unumgänglich zu sein. Doch während wir den Schmerz nicht vermeiden können, haben wir die Möglichkeit, das Leiden zu umgehen.
Das Leiden, das nie enden will, entspringt oft unerledigten zwischenmenschlichen Geschichten: ungelöste Konflikte, festgehaltene Groll, unbeugsame Sturheit, das Bedürfnis, immer Recht haben zu wollen und vieles mehr. Wenn wir es jedoch schaffen, diese Dinge anzusprechen, während es uns gut geht, wenn wir bereit sind, sie zu diskutieren, uns zu entschuldigen und zu vergeben, dann wird uns der Tod unserer Liebsten langfristig nicht mit Leiden treffen.
Deshalb glaube ich, dass diejenigen, die trauernde Menschen begleiten möchten, im Einklang mit sich selbst sein sollten. Sie benötigen einen langen, liebevollen und mitfühlenden Atem, um als Trauerbegleiter*in fungieren zu können. Das Wichtigste ist einfach da zu sein, ohne Ratschläge zu erteilen oder zu sagen: “Es ist nun schon ein Jahr her, es sollte dir doch besser gehen.” Es erfordert viel Feingefühl, zu erkennen, wann es angemessen ist, etwas zu sagen, und wann es angebracht ist, aufmerksam zuzuhören und einfach zu halten.
Der trauernde Mensch und der begleitende Mensch befinden sich im selben Boot. Niemandem bleibt im Verlauf seines Lebens die Trauer erspart. Es lohnt sich daher so sehr, unseren Liebsten beim Abschied zu sagen: “Ich liebe dich – ich sehe dich.” Denn wir wissen nie, was der Tag bringen wird. Es lohnt sich auch, mit alten, schweren Geschichten aufzuräumen, damit wir stark genug sind, um der Trauer standzuhalten, wenn der Moment kommt.
“Die Trauer ist ein tiefes Meer, aus dem die Seele irgendwann auftaucht und wieder ans Land schwimmt. Dort beginnt sie, die Schätze der Erinnerung zu bergen und das Leben mit neuen Augen zu betrachten.” Mascha Kaleko
Heidy Müller Bunge
Foto: Josealbaphotos Pixabay